Seit 9. Mai sind öffentliche Gottesdienste wieder möglich. Wie fühlt es sich an, Gottesdienste mit Mundschutz und Abstand zu halten?
Im ersten Gottesdienst nach dem Lockdown sind mir die Tränen gekommen, ich habe vor Freude geweint. Und auch jetzt noch ist es für mich emotional bewegend, überhaupt wieder Gottesdienste feiern zu können. Ich freue mich jedes Mal aufs Neue. Diese Freude kompensiert die schwierigen Umstände.
Schafft man es, den Gottesdienst so zu gestalten, dass die Liturgie und nicht der Infektionsschutz im Vordergrund steht?
Wir haben alle Maßnahmen gewissenhaft umgesetzt, aber eben so, dass sich die Kirchen dadurch nur wenig verändern. Die Atmosphäre in unseren Kirchen ist weiterhin einladend und nicht abweisend. Für die Absperrungen haben wir eine Kordel verwendet, die Hinweise haben die Mesner dezent angebracht, aber doch so, dass sich die Gläubigen zurechtfinden. Für viele Menschen war es ungewohnt, nicht an ihrem Stammplatz in der Kirche sitzen zu können, aber inzwischen haben sich die meisten Besucher an die Veränderungen gewöhnt und können sich wieder auf die Liturgie konzentrieren.
Gibt es unter den vielen Infektionsschutzmaßnahmen eine, an die Sie sich nicht gewöhnen können?
Es ist der Moment vor dem Spenden der Kommunion. Ich gehe in die Sakristei, um meine Hände zu desinfizieren, Mundschutz aufzusetzen, Handschuhe anzuziehen und die Zange zu holen und kehre dann in den Altarraum zurück. Das sind Handlungen, die für den Infektionsschutz unerlässlich sind, die aber eine Distanz schaffen, an die ich mich nur schwer gewöhnen kann. Auch für die Gläubigen verläuft der Empfang der Kommunion anders als gewohnt. Alle müssen aufstehen und nach vorne gehen, auch wenn sie keine Hostie empfangen möchten. Nur so können wir verhindern, dass sich die Gläubigen am Banknachbarn vorbeizwängen und sich die Menschen zu nahe kommen. Wer keine Kommunion empfangen möchte, verschränkt die Arme und wird gesegnet. Aber ich stelle auch da fest, dass eine vorsichtige Gewöhnung einsetzt, zumal wir im Moment in allen Lebensbereichen mit Schutzmaßnahmen konfrontiert sind, beim Einkaufen, beim Arztbesuch und auch eben auch im Gottesdienst. Von den Gläubigen bekommen wir denn auch die Rückmeldung, dass sie sich durch all die Maßnahmen gut geschützt fühlen.
Das gemeinsame Singen im Gottesdienst ist nicht erlaubt. Fehlt da nicht ein wichtiger Teil des Gemeinschaftserlebnisses Gottesdienst?
Natürlich fehlt das Singen, mit dem sich die Gläubigen am Gottesdienst beteiligen und das die Gemeinschaft auf eine besondere Weise erlebbar macht. Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. In St. Theresia in Weilimdorf und in Salvator in Giebel haben sich die Chormitglieder in kleine Ensembles von maximal vier Sängerinnen und Sänger aufgeteilt und gestalten die Gottesdienste abwechselnd mit. In St. Josef singt an Pfingsten eine Chorschola. Die Sänger stehen mit Sicherheitsabstand voneinander und von den Gläubigen auf der Empore. Sie suchen immer auch Lieder aus, die zum Mitsummen animieren. Dann kann man in der Kirche hinter den Masken ein Brummen und Summen hören, das allen guttut. Dass es dennoch richtig ist, im Moment auf das Singen zu verzichten, zeigen uns jüngst die zahlreichen Infektionen in einem baptistischen Gottesdienst in Hanau.
Sind die Gottesdienste durch Corona stärker auf den Priester konzentriert?
Das ist tatsächlich so und zwar aus einem einfachen Grund: Wir können sehr viel weniger Menschen in die Gestaltung des Gottesdienstes einbinden. Je weniger Akteure umso geringer das Ansteckungsrisiko. In zwei Kirchen unserer Gesamtkirchengemeinde sind die Gänge so eng, dass immer nur einer die Kommunion austeilen kann und das ist dann eben der Priester, wo sonst auch Eucharistiehelferinnen und –helfer im Einsatz sind. Anstatt der üblichen acht Ministranten wirken im Moment nur zwei mit. Die gemeinsame Gestaltung von Liturgie, die so wichtig ist für eine lebendige Gemeinde, ist zur Zeit nur eingeschränkt möglich und das bedaure ich und auch viele der Gläubigen. Generell lässt sich sagen: Die Hygienemaßnahmen zwingen uns zu einer Distanziertheit in einer Feier, die eigentlich von Gemeinschaft und Nähe lebt.
Kommen weniger Menschen in die Gottesdienste?
Das ist so. Wir raten aber auch allen Gemeindemitgliedern, die zu einer Risikogruppe gehören ausdrücklich dazu, zuhause zu bleiben und bieten an, dass Familienmitglieder die Kommunion bringen. Auch die Anmeldung ist natürlich ein Hindernis, ich muss spätestens am Donnerstag eine E-Mail schreiben oder im Pfarrbüro anrufen, wenn ich am Sonntag in den Gottesdienst kommen möchte. Dennoch kommen so viele Menschen, dass wir in St. Josef und St. Theresia jetzt jeden Sonntag einen zusätzlichen Gottesdienst anbieten, da wir allen die Möglichkeit geben möchten, einen Gottesdienst zu besuchen, die dies möchten. Man muss auch sehen, dass besondere Gottesdienste, zum Beispiel für Familien oder mit musikalischem Schwerpunkt und unter Mitwirkung der Chöre, bisher nicht möglich waren. Nach Pfingsten möchten wir Familien wieder ein Angebot machen, an dem das Pastoralteam gerade tüftelt. Unsere Idee ist es, die Familien in die Pfarrgärten und in unser Waldheim Lindental einzuladen. Jede Familie bringt ihre eigene Picknickdecke mit und dann können wir mit Abstand und doch gemeinsam Gottesdienst mit den Kindern feiern.
Hat Corona langfristige Folgen für die Kirche?
Je länger die Einschränkungen andauern, umso gravierender sind die Folgen. Man muss einfach sehen, dass wir im Moment viele Menschen nicht mehr erreichen, weil keine Chorprobe stattfindet, sich die Jugendgruppen nicht mehr treffen können, die Senioren nicht mehr zusammenkommen und das schon über einen längeren Zeitraum. Meine Sorge ist, dass wir nach der langen Pause so manche Verbindung nicht mehr wieder herstellen können. Im März haben wir neue Kirchengemeinderäte für die nächsten fünf Jahre gewählt, auch die kommen erst einmal nur mit Sicherheitsabstand zusammen. Das ist ein Start mit angezogener Handbremse, den wir uns natürlich anders vorgestellt haben. Wir arbeiten auch daran, zwischen Pfingsten und den Sommerferien Veranstaltungen anzubieten, um als Kirche im Stadtbezirk über die Gottesdienste hinaus wieder sichtbar zu sein.
Wie halten Sie den Kontakt zu den Menschen, die seit Wochen nicht mehr auftauchen?
Wir haben versucht, vor allem zu den alleinstehenden Menschen aus der Gemeinde Kontakt zu halten durch regelmäßige Anrufe. An Ostern haben wir einen Ostergruß an 2500 Gemeindemitglieder versandt. Auf unserer Webseite haben wir Vorschläge veröffentlicht, wie Gebete zuhause gestaltet werden können, auf die wir auch gute Resonanz bekommen haben. Unsere Ministranten haben Einkaufshilfen angeboten, die allerdings nur wenige Menschen in Anspruch genommen haben. Dennoch war das Unterstützungsangebot ein wichtiges Signal.
Haben die Einschränkungen durch Corona auch positive Impulse gebracht?
Die Pandemie und der verordnete Rückzug in die eigenen vier Wände hat eines deutlich gemacht: wie wichtig menschliche Beziehungen und unmittelbare Begegnungen sind