Schutz des Sonntags

„Eine Sonntagsöffnung hilft dem Handel nicht, schadet aber der Gesellschaft“

Corona bringt auch in Stuttgart den Sonntagsschutz wieder in die Diskussion. Die City-Initiative Stuttgart fordert mit Nachdruck, verkaufsoffene Sonntage auch ohne besondere Anlässe vorläufig zuzulassen. Auch aus der Politik werden verstärkt Forderungen laut. Die evangelische und die katholische Kirche in Stuttgart halten diese Initiative für verfassungsrechtlich abwegig und überdies wenig wirksam: „Eine Öffnung der Läden an Sonntagen wird die Einnahmeausfälle nicht ausgleichen können, sondern nur zu weiteren Belastungen führen“, sagt der katholische Stadtdekan Christian Hermes. Der Sonntag als Ruhetag dagegen sei wichtig für Familien, für die im Handel Beschäftigten und für die Gesellschaft insgesamt.

Hintergrund für die Diskussion sind die Einnahmeausfälle vieler Händler in den Wochen des Lockdowns und danach. Diese sollen durch Ladenöffnungen an Sonntagen kompensiert werden – ein „Alter Hut“, wie der katholische Stadtdekan Christian Hermes meint: „Eine weitergehende Sonntagsöffnung rettet die Händler nicht, schadet aber der Gesellschaft. Zumal an Sonntagen höhere Betriebskosten entstehen. Schon vor Corona haben Sonntagsöffnungen nicht zu höheren Umsätzen geführt.“

„Der freie Sonntag ist ein hohes Kulturgut“

Der evangelische Stadtdekan Søren Schwesig verweist auch auf den grundgesetzlichen Schutz: „Die Argumentation zieht nicht: Weil die Anlässe, die eine Sonntagsöffnung ausnahmsweise rechtfertigen können, wegfallen, muss die Sonntagsöffnung auch ohne Anlass möglich sein. Es ist genau umgekehrt: Ohne Anlass gibt es eben keine Ausnahme vom Sonntagsschutz.“ Der Sonntagsschutz dürfe nicht wirtschaftlichen Interessen geopfert werden. „Ohne Sonntagsschutz hätten wir nur noch Werktage und keine ausgleichenden Ruhetage mehr. Der freie Sonntag ist ein hohes Kulturgut, das uns Struktur gibt und uns allen Zeiten des Innehaltens und der Gemeinschaft sichert“, so Schwesig. Auch für die Arbeitnehmer sei der Schutz des Sonntags wesentlich: „Was ist zum Beispiel mit den Familien der Verkäuferinnen, die am Sonntag arbeiten müssen?“, fragt der evangelische Stadtdekan: „Organisiert der Einzelhandel oder die Stadt Stuttgart dann die Kinderbetreuung?“ Es sei eine Frage sozialer Gerechtigkeit, wer an verkaufsoffenen Sonntagen arbeiten muss, damit andere sich beim Shoppen vergnügen können.“

Anlassbindung darf aus Sicht der Kirchen nicht wegfallen

Das Gesetz über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg lässt eine Sonntagsöffnung nur aus Anlass von örtlichen Festen, Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an einer festgelegten Zahl an Sonn- und Feiertagen zu. Geht es nach der City-Initiative Stuttgart,  dann soll diese so genannte Anlassbindung jetzt aufgehoben werden, so dass Sonntagsöffnungen leichter möglich wären. „Natürlich wird jetzt argumentiert, dass die Anlassbindung nur vorläufig wegfallen soll, solange Corona anhält. Aber klar ist auch: Damit würde eine Tür geöffnet, die dann nachher keiner mehr schließen wird“, sagt Christian Hermes. Wichtig sei es, die Situation zu analysieren. Der Handel leide nicht am freien Sonntag, sondern an grundlegenden Veränderungen im Konsumverhalten der Menschen.

Den Gewerbetreibenden wäre mehr gedient, so der katholische Stadtdekan, wenn die Aufenthaltsqualität in der Stuttgarter Innenstadt verbessert würde. Dazu gebe es ja auch allen Grund.

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