„Am Schönsten waren das Internationale und das Interkulturelle in allen drei Bereichen – in der Quartierseelsorge, in der ÖHG und in der Gemeindearbeit. So selbstverständlich habe ich das weder in meiner westfälischen Heimat noch in Bad Saulgau, wo das Mutterhaus meiner Kongregation liegt, erlebt“, berichtet die quirlige Ordensfrau. Seit Februar 2021 arbeitete sie in der baden-württembergischen Landeshauptstadt.
Quartierpastoral auf Pallotti-Areal
Zusammen mit zwei Mitschwestern lebte sie in einem Konvent im neu eröffneten Pallotti-Areal in Stuttgart-Birkach und übernahm dort die Quartierpastoral. Auf dem Grundstück der ehemaligen St. Vinzenz Pallotti-Kirche hatte das Siedlungswerk ein inklusives Wohnquartier errichtet. Schwester Marie-Pasquale: „Wir waren hier eine kleine Gemeinschaft mit drei Frauen. Aber der Konvent hat sich aufgelöst, da sich die Franziskanerinnen von Sießen auf ihren anderen Stuttgarter Standort, dem Mädchengymnasium St. Agnes, fokussieren möchten.“ Ohnehin laufe ihre Profilstelle Quartierpastoral im nächsten Februar aus.
Im Mittelpunkt: die Vernetzung der Anwohner
Die Bewohner des Quartiers sind ein bunter Mix aus Studierenden, Geflüchteten und nicht zuletzt Familien mit kleinen Kindern. „Daher gab es eine Zusammenarbeit mit dem Kindergarten St. Pallotti. Konkret haben wir Jahreszeitliches angeboten, zum Beispiel ein Eiscafé am Sandkasten im Sommer oder Adventslieder-Singen im Winter“, erzählt Schwester Marie-Pasquale. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit habe die Vernetzung der Anwohner gestanden: „Wie gehen die unterschiedlichen Gruppen zusammen? Themen, bei den es geholpert hat, haben wir angesprochen.“
„Wichtig, dass sich katholische Kirche beim Thema Rassismus klar positioniert“
So ist die Pastoralreferentin auch in der ÖHG vorgegangen. Dabei sei ihr aufgefallen: „Wenn man sich begegnen möchte, kommt man letztlich auf die gleichen Punkte hinaus – egal, woher man kommt.“ Schockiert sei sie noch immer über das Ausmaß an Rassismus, dem Geflüchtete und Studierende ausgesetzt seien, zum Beispiel bei der Wohnungssuche. „Es zeigt, wie wichtig es ist, dass sich katholische Kirche beim Thema Rassismus klar positioniert.“ Neben dem Interkulturellen sei auch das Interreligiöse nicht zu kurz gekommen: „Ich hatte noch nie so viel Kontakt mit Hinduisten und Buddhisten wie in der ÖHG.“
„Ich habe gelernt, differenziert zu denken“
Diese interreligiösen Begegnungen seien sehr bereichernd gewesen – wie generell die vergangenen dreieinhalb Jahre: „Das größte Geschenk meiner Stuttgarter Zeit ist, dass ich Lebensrealitäten kennenlernen durfte, die ich zuvor nur aus dem Fernsehen kannte. Zum Beispiel die einer jungen Afghanin, die sich aus Kabul vor der Machtergreifung durch die Taliban retten konnte.“ Oder, was der Unterschied zwischen arrangierten Ehen und Zwangsheiraten bedeute. „Ich habe gelernt, differenziert zu denken.“
Wehmütiger Abschied
Auch im Rahmen ihrer Tätigkeit als pastorale Ansprechperson in St. Antonius hat sie viel Positives erfahren. Gerade die Ehrenamtlichen dort seien „von ganz besonderer Qualität, die mit großer Kompetenz schöne Wortgottesdienste feiern können“. So kehrt Schwester Marie-Pasquale wehmütig und mit einem weinenden Auge Stuttgart den Rücken: „Ich werde die Weite und die Offenheit der Menschen vermissen. Gerade in der Kirchengemeinde gab es progressive wie traditionelle Gläubige, die trotzdem offen waren und echtes, kein verzwecktes Interesse am Gegenüber zeigten.“
Ziel für die Zukunft: Zurück in die Seelsorge
Dass Schwester Marie-Pasquale auch mit einem lachenden Auge Abschied nimmt, hängt mit ihren wissenschaftlichen Ambitionen zusammen: „Am meisten freue ich mich auf die Zeit für meine Dissertation.“ Ein halbes Jahr will sie von Ravensburg aus nutzen, um an ihrer Promotion in Pastoraltheologie an der Universität Tübingen zu arbeiten. Thema ist der Umgang mit Missbrauchsbetroffenen in Kirche und Gemeinde, worüber sie bereits ein Buch geschrieben hat. Das ist aber nicht alles: „Um auch den Schreibtisch einmal zu verlassen, werde ich auch Workshops anbieten und Lesungen halten.“ Darüber hinaus habe sie noch keine konkreten Zukunftspläne. Aber klar ist: „Ich will wieder zurück in die Seelsorge, in Beratung und Begleitung – wie in Stuttgart.“
Hinweise:
Am Sonntag, 8. September, lädt die Gemeinde St. Antonius zur Verabschiedung von Schwester Marie-Pasquale um 11 Uhr in die St. Antoniuskirche (Paracelsusstraße 87) ein. Nach einem Gottesdienst mit den Chören der Gemeinde gibt es einen Ständerling.
Das Buch „Missbrauchsbetroffenen in Kirche und Gemeinde sensibel begegnen“ von Schwester Marie-Pasquale Reuver ist 2024 im Patmos Verlag/Ostfildern als Paperback erschienen. Es hat 182 Seiten und kostet 20 Euro. Im gleichen Verlag veröffentlichte sie 2023 als Hardcover „Streu Glitzer drauf. Geschichten von Gottesbegegnungen im Alltag“. Es umfasst 160 Seiten und kostet 20 Euro.