Seit Herbst 2022 ist Ursula Wollasch Ansprechperson für trans Menschen, also für Menschen, die sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren. „Es betrifft nur ganz wenige Menschen und gleichzeitig löst das Thema Trans maximalen Stress in der Gesellschaft aus“, so die Theologin, Sozialethikerin und Autorin. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der katholischen Kirche. Eine Zerreißprobe.
Betroffene benötigen jetzt Unterstützung
Laut Kirchenrecht, Katechismus und Soziallehre der Kirche müssen die Gläubigen ihr natürliches biologisches Geschlecht als gegeben anerkennen. „Die bisherigen lehramtlichen Positionen sind für die Betroffenen und deren Angehörigen frustrierend“, berichtet Ursula Wollasch. „Die transidenten Menschen, die ich getroffen habe, sind jetzt auf Unterstützung angewiesen. Wir können sie nicht vertrösten, bis alle theologischen Fragen gelöst sind“, so die 60-Jährige.
Kirchliches Netz von Dienstleistungen
In ihrer Arbeit stellt sie deshalb die Frage „Was brauchen trans Menschen?“ in den Mittelpunkt. Viel habe sie in den vergangenen Monaten in sehr persönlichen und intimen Gesprächen über die Bedürfnisse von trans Menschen erfahren. „Im Augenblick gibt es für sie nur medizinische und psychologische Hilfe. Mein Traum ist, dass sich Caritas und Pastoral zusammenschließen und wir bei Bedarf ein kirchliches Netz von Dienstleistungen ausspannen können. Dazu zählen auch spirituelle Begleitungen und Segensfeiern“, so die Theologin.
Ursula Wollasch zu Gast bei Stadtdekan Christian Hermes
Gastgeber Christian Hermes ist gespannt auf den Austausch mit Ursula Wollasch. „Sie hat sich mit großer Sensibilität mit der Realität queerer Menschen beschäftigt. Für die allermeisten ist dies aber eine fremde und manchmal auch irritierende Welt – auch weil es für uns alle um unser Selbstverständnis geht, um Rollenmuster und gesellschaftliche und religiöse Normen. Es ist mir wichtig, ihre Erfahrungen zu hören und zu diskutieren“, so der Stadtdekan.
Besonders interessiert ihn, wie es weitergeht: „Beim Reformprozess Synodaler Weg haben wir mit großer Mehrheit der Bischöfe beschlossen, dass alle Menschen in ihrer sexuellen Identität anerkannt werden müssen und jegliche Diskriminierung auch in der Kirche ausgeschlossen sein muss und dass es Ansprechpersonen für queere Personen geben muss. Wenn der Auftrag von Frau Wollasch Ende des Jahres ausläuft, würde ich gerne besprechen, wie es weitergehen soll.“
Der Handlungstext des Synodalen Weges Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt wurde mit 96% der Stimmen und 84% der Bischöfe beschlossen. U.a. wird darin die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag auch in kirchlichen Registern zu ändern sowie die Akzeptanz queerer Personen in kirchlichen Berufen und Segensfeiern für queere Paare gefordert.
Dienstag, 26. September, um 19 Uhr im Haus der Katholischen Kirche
Der Talk am Dom zum Thema „Queer und katholisch: eine Zerreißprobe“ findet am Dienstag, 26. September, um 19 Uhr im Haus der Katholischen Kirche (Königstraße 7, Stuttgart-Mitte) statt.
Eintritt frei, keine Anmeldung erforderlich.