Am 24. Februar jährt sich der Angriff Russlands auf die Ukraine erneut. Was machen diese drei Jahre? Lassen die Aufmerksamkeit und Solidarität der Menschen nach?
Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine erfahren wir eine Welle der Solidarität, die uns tief bewegt, die bis heute anhält und für die wir sehr dankbar sind. Viele Menschen helfen uns, auch hier in Stuttgart, aber ihre Möglichkeiten sind einfach begrenzt. Die Ukraine braucht institutionelle, staatliche Unterstützung und da haben wir auf der internationalen Ebene, neben einem großen Einsatz und großzügiger Unterstützung, auch viel Zaudern und viel Zurückhaltung erlebt. Das hat Putin Zeit gegeben, seine Angriffstruppen weiter aufzurüsten und die Offensive vorzubereiten, die wir derzeit in der Ukraine erleben und die bereits vielen Menschen den Tod gebracht hat.
Was wünschen Sie sich für 2025?
Einheit und Entschlossenheit in der Unterstützung für die Ukraine. Die Menschen in der Ukraine sind erschöpft, aber die Hoffnung ist weiterhin da. Diese Hoffnung des Volkes, das zum Opfer einer unvorstellbaren Grausamkeit und Aggression vor unseren Augen geworden ist, dürfen wir weder verraten noch enttäuschen. Für die Stärkung dieser Hoffnung und für die Ausdauer unseres Volkes in dieser Hoffnung bete ich täglich.
Welche Rolle haben die Gemeinden für die Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland?
Die Gemeinden sind für viele Ukrainerinnen und Ukrainer ein Stück Heimat – ganz egal, ob sie sich als griechisch-katholisch, als orthodox oder als nicht gläubig ansehen. Sie erleben dort vertraute Riten, hören ihre Muttersprache, treffen Menschen in ähnlichen Lebensumständen. Wir fragen niemanden nach einer Zugehörigkeit, wir sind offen, wir schenken allen, die zu uns kommen, ein Gefühl von Heimat. Dies werden wir auch weiterhin tun.
Wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer gehören der griechisch-katholischen Kirche an?
Vor dem großangelegten Angriff Russlands lebten ca. 200 000 Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland, inzwischen sind es 1,4 Millionen. Wir gehen davon aus, dass rund 10 Prozent griechisch-katholisch sind. Wir versuchen allen Menschen, die zu uns kommen, Stütze und Trost zu sein, soweit uns dies möglich ist. Und unsere Landsleute sehen es und wissen es schätzen. Ihre Dankbarkeit erfahre ich bei meinen Besuchen der Pfarreien immer wieder.
Wann waren Sie zuletzt in der Ukraine?
Im vergangenen Jahr war ich leider nur zweimal in der Ukraine, zuletzt bei der Bischofssynode. Der Status der Geistlichen in den Kriegszeiten ist in der ukrainischen Gesetzgebung noch nicht geregelt. Ich zähle zu den Männern im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 60 Jahren, deshalb ist immer die Frage, ob ich mit meinen 57 Jahren wieder ausreisen darf – oder womöglich an die Front geschickt werde.
Was tut die Kirche, um Menschen in der Ukraine und hier zu helfen?
Wir versuchen sowohl in der Ukraine als auch hier in Deutschland den Menschen vor allem geistliche Begleitung zu geben. Unsere Pfarreien sind sehr oft die ersten Orten, wo die Leute hinkommen. Sie bitten um ein Gebet, einen Trauergottesdienst für ihre gefallenen Nächsten, um die Beichte oder einfach um ein Gespräch. Außerdem leisten wir humanitäre Hilfe für die Betroffenen. Es sind inzwischen Millionen von Euro in verschiedene humanitäre Projekte investiert worden und Hunderte von LKWs mit Gütern aller Art in die Ukraine verschickt worden. Wir unterstützen auch die Seelsorger, die im Osten des Landes wirken und natürlich die Priester, die als Militärskapläne mit den Soldaten an der Front sind.
Sie haben als Bischof eine Initiative mitgetragen, die Rosenkränze für die Soldaten an der Front gesammelt hat.
Viele Militärkapläne versuchen, den Soldaten zur Seite zu stehen, beten für sie und mit ihnen Tag und Nacht. Wir haben Soldaten gefragt, womit wir sie unterstützen können und die Antwort bekommen, schickt uns Rosenkränze – „jede Menge und jeder Art“. Das haben wir dank einer Aktion mit Radio Horeb getan. Menschen aus ganz Deutschland haben insgesamt 130 000 Rosenkränze gespendet, die wir an die Front gebracht haben. Wir beten gemeinsam mit den Menschen in der Ukraine Tag und Nacht in einer Rosenkranz-Kette, die nicht abreißt. Wir tun dies in der festen Überzeugung, dass es Gott ist und sein wird, der uns ins Leben ruft und das Überleben unseres Volkes sowie die Heilung der Kriegswunden und eine würdige Zukunft für uns gewähren wird. Gott wirkt in dieser Welt aber sehr oft durch das menschliche Handeln, so betrachten wir auch jede menschliche Nähe, Unterstützung und Solidarität als ein Zeichen der göttlichen Nähe und der göttlichen Liebe, die unsere Zuversicht stärkt.
Was werden Sie den Gottesdienstbesucherinnen am Sonntag in Stuttgart mit auf den Weg geben?
Betet für die Ukraine, gebt die Hoffnung nicht auf! Die Ukraine darf nicht aufhören zu existieren. Das wäre ein böses Erwachen in einer Welt, in der wir einer Tyrannei erlauben, Gräueltaten rücksichtslos zu verüben und die Weltordnung straflos zu zerstören.
Betet auch für die von den Besatzern getöteten ukrainischen Kinder und für die Kinder die aus ihren Familien gerissen und nach Russland entführt wurden und weiterhin werden. Die Kinder sind am meisten betroffene Opfer dieses Krieges, da ihnen eine friedliche Kindheit und die würdige Zukunft geraubt wurde. Sie werden für immer die Kriegskinder bleiben.
Beten wir alle weiterhin für den gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine und damit in ganz Europa! Lassen wir nicht zu, dass die Liebe in unseren Herzen und in unserem Wirken aufhört! Werden wir selbst zu Friedensträgerinnen und Friedenstifter in unserer heutigen Welt!
Zum Gottesdienst am 12. Januar in Stuttgart
Der Gottesdienst findet am Sonntag, 12. Januar, um 13 Uhr in der Kirche St. Michael, Kleinhohenheimer Str. 11 in St. Michael statt. An der Feier wirken auch Roman Wruszak, Pfarrer der ukrainisch griechisch-katholischen Gemeinde in Stuttgart, Stadtdekan Christian Hermes sowie der Chor der ukrainischen Gemeinde mit. Der Inner Wheel Club Deutschland wird der ukrainischen Gemeinde eine Spende für die Jugendarbeit überreichen.