Die Entscheidung für das Werk von Andrea Knobloch fiel in der zweiten Jurysitzung des zweistufigen Auswahlverfahrens, an dem sich insgesamt 16 Jurorinnen und Juroren aus Kunst, Kirche und Architektur beteiligten. Das Gremium würdigte die Arbeit der Düsseldorfer Künstlerin als „starken Akzent in der Vierung von St. Maria“, der in seiner Geste monumental, zugleich aber durch das Material luftig und transparent bleibe. Wie ein wehender Faltenwurf hängt die Skulptur von der Decke herab – 13 Meter lang und 120 Kilogramm schwer. „Es ist ein starkes Werk, das sich mit dem Raum auseinandersetzt“, betont Prof. Dr. Christiane Lange, Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart und Jurymitglied. „Es tritt in den Dialog mit dem Raum, ohne ihn zu überlagern.“
„Das Projekt ist für mich eine Herzensangelegenheit“
Gegen 10 Mitbewerber, die ebenfalls aus insgesamt 223 Einsendungen ausgewählt worden waren, setzte sich Andrea Knobloch in der zweiten Wettbewerbsrunde mit ihrem Entwurf durch. Für die 64-Jährige ist das Projekt mehr als ein Auftrag. „Die Möglichkeit, etwas für eine Kirche zu schaffen, ist selten. Dieses Projekt ist eine tolle Herausforderung und eine Herzensangelegenheit für mich.“ Eine Erscheinung solle das Werk für die Besucherinnen und Besucher von St. Maria sein. „Sie sollen auf etwas treffen, das sie nicht erwarten.“ Ursprünglich habe die Künstlerin an ein massiveres Werk gedacht, doch während des Entstehungsprozesses stieß sie auf das Drahtgeflecht. „Das Material hat mich sofort fasziniert. Es reflektiert das Licht, glitzert und verweist mit seiner Transparenz auf das, was es hinter dem Alltäglichen zu entdecken gibt.“
Kunst, die Brücken schlägt
Auch für Ania Corcilius, Jurymitglied und Kuratorin des Projekts „St. Maria als …“, besteht in der Materialität des Werkes ein besonderer Reiz. „Es nimmt Bezug auf die urbane Umgebung der Kirche, ist gleichzeitig robust und filigran. Das Werk schlägt die Brücke zwischen Kunst, Religion und Stadt.“ Damit entspricht es dem Anspruch und Programm St. Marias als Kirche des Dialogs und der Vernetzung.
Stadtdekan Christian Hermes ist glücklich mit der Arbeit der Jury und dem Ergebnis des Wettbewerbs: „Es war eine spannende Diskussion, in der die ästhetischen, künstlerischen und spirituellen Aspekte beleuchtet wurden. Ich freue mich, dass wir hier ein starkes Zeichen setzen.“
St. Maria wird ab 2026 renoviert
Der Kunstwettbewerb ist Teil der umfassenden Renovierung von St. Maria, die im Januar beginnt und etwa eineinhalb Jahre dauern wird. Um das Gotteshaus möglichst vielfältig nutzen zu können, werden Stufen entfernt, ein einheitlicher Holzboden verlegt und ein beweglicher Altar entworfen. Eine Fußbodenheizung soll auch in den kälteren Monaten für angenehme Temperaturen sorgen. Ein Anbau für Harrys Bude sowie die Neugestaltung des Platzes sind ebenfalls fester Bestandteil der Planungen. Knoblochs Werk soll 2027 realisiert werden. Wer bereits jetzt das Modell sehen möchte, kann die Ausstellung vom 12. bis 19. Oktober in St. Maria besuchen, bei der auch Fotografien der weiteren Modelle aus der zweiten Wettbewerbsrunde gezeigt werden.
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Begründung der Jury
„Die Jury hat sich nach einem zweistufigen Auswahlverfahren für die Arbeit „Einlassung“ von Andrea Knobloch ausgesprochen, da die Skulptur der Künstlerin mit ihrer raumgreifenden Geste in der Vierung einen starken Akzent in St. Maria setzt. Die wie ein wehender Faltenwurf von der Decke abgehängte Skulptur aus Maschendrahtgeflecht bleibt trotz ihrer Größe von 13 Metern Höhe luftig und transparent. Durchblicke auf den Chor mit seinen farbigen Fenstern bleiben möglich und laden die Besucher der Kirche ein, auch den Altarraum zu betreten. Die ausgelobte Idee der Wolke wird in der prämierten Arbeit zu einem aufsteigenden Lufthauch. Die in ihren Dimensionen mit den Pfeilern des neogotischen Baus korrespondierende Arbeit assoziiert so auch die Wolkensäule des Exodus (vgl. Ex. 13) und steht damit auch für das Zeichen, das den Weg in die Freiheit weist. Die luzide Materialität der semitransparenten Flächen bietet dem einfallenden Licht Reflexionsmöglichkeiten, die die Betrachter zu immer neuen Eindrücken inspirieren. Der selbstbewussten Präsenz des Werkes, das wie ein barocker Schleier die gesamte Vierung besetzt, kann sich kein Besucher der Kirche entziehen. Damit entspricht das Werk in hervorragender Weise dem Anspruch der Kirche und des Programms von St. Maria als Kirche des Dialogs.“