Digitaler Elternstammtisch

„Eltern brauchen mehr Klarheit und Planbarkeit“

Corona stellt Familien noch immer vor viele Herausforderungen - trotz aller Lockerungen der vergangenen Wochen. Noch immer sind viele Schülerinnen und Schüler nicht regelmäßig in der Schule und keiner weiß, wie es nach den Sommerferien im Herbst weitergehen wird. Viele Eltern wünschen sich mehr Planbarkeit und Klarheit, sagt Markus Vogt, Referent für den Fachbereich Ehe und Familie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Wer Lust hat, sich mit anderen Eltern über die anstehende Feriengestaltung, über Homeschooling und Homeoffice auszutauschen ist am Freitag, 10. Juli, um 20 Uhr zur DigiBar, zum dritten digitalen Elternstammtisch eingeladen. Im Interview erzählt Markus Vogt von seiner familiären Situation und davon, dass viele Familien von Normalität weit entfernt sind.

Am Freitag sind Eltern zum dritten digitalen Stammtisch in Coronazeiten eingeladen. Wie ist die bisherige Resonanz auf das Angebot?

Bei den beiden bisherigen Elternstammtischen waren wir ein kleiner Kreis. Die Werbung in den sozialen Medien wurde zwar oft geteilt und gelikt. Aber den Schritt in die DigiBar haben dann nur wenige getan. Vielleicht ist er doch zu groß gewesen. Ich kann das auch verstehen. Man ist als Mutter oder Vater ja eh schon den ganzen Tag gefordert. Am Abend ist man froh, wenn es hoffentlich etwas ruhiger wird. Und dann noch zu einer unbekannten Gruppe gehen, von der ich nicht weiß, wer und was mich erwartet? Dennoch gab es beide Male gute Gespräche.

Seit Ende Juni sind Kitas und Grundschulen wieder geöffnet. Ist damit bei vielen Familien wieder Normalität eingekehrt?

Normalität im Sinne der Normalität vor Corona sicher nicht. Natürlich gibt es wieder einen klareren Rahmen. Aber Kinder wie Eltern müssen da erstmal wieder reinkommen, sich neu orientieren. Viele Kita-Kinder müssen nach drei Monaten Pause erst wieder eingewöhnt werden. Da sind Kinder, Eltern und Erzieherinnen gefordert, dass dies gut gelingt. Zudem gibt es ja trotzdem Hygienebestimmungen, die jeden Tag zeigen, dass noch etwas anders ist als früher. Und in den Familien, in denen sich existentielle Fragen verschärft haben oder entstanden sind, kann wahrlich nicht von Normalität geredet werden. Da steht die Frage im Raum, wie es überhaupt weitergeht.

Bei älteren Schülern läuft noch immer ein Großteil des Unterrichts zuhause. Wie erleben Sie die Situation dieser Familien?

Das erleben wir gerade selber zuhause. Wir haben das Glück, dass unsere Schule die Möglichkeit geschaffen hat, dass die Schülerinnen und Schüler abwechselnd eine Woche in der Schule und eine Woche daheim sind. Und im Präsenzunterricht werden fünf Tage mit möglichst vielen Stunden abgedeckt. Das schafft eine gewisse Planbarkeit. Allerdings handhabt es jede weiterführende Schule anders. Bei dem einen Kind sind es nur drei Tage Präsenzunterricht, beim anderen vier, beim dritten zwei. Und manchmal auch nur ein paar Stunden. Für die Familien heißt das, sehr genau planen zu müssen, wann wer weg bzw. daheim ist, wie die Kinder zur Schule und wieder nach Hause kommen und wer von den Eltern – gerade bei jüngeren Schülern  - vielleicht doch noch daheim sein kann. Das ist aber auch nicht bei allen möglich. Dann sind die Kids einfach viel allein. Mir haben schon viele Eltern gesagt, dass es für sie mehr Organisation ist als vorher im reinen Fernunterricht. Mehr Klarheit und Planbarkeit – das sind neben dem Wunsch nach Entlastung sicher Punkte, die Familien gerade herbeisehnen. Und da hoffe ich, dass diese von den Verantwortlichen soweit als möglich geschaffen werden.

Und vor allem: Was macht das mit den Kindern und Jugendlichen?

Auch Kinder und Jugendliche hoffen einfach wieder auf so was wie Normalität: Freundinnen treffen, den eigenen Hobbys nachgehen, Luft und Zeit für sich selber haben, Unterricht im direkten Kontakt mit Lehrern erleben. Meine Töchter haben sich selten so auf die Schule gefreut, wie jetzt zum Start nach den Pfingstferien. Da ging es einfach drum, endlich mal wieder die anderen zu sehen. Bei Kindern und Jugendlichen hat sich viel angestaut. Die Frage ist: Wo können sie mit dem, was sie in dieser Zeit beschäftigt, hin? Wer hört ihnen zu? Wer nimmt sie ernst? Das sieht in den Familien sicher sehr unterschiedlich aus. Aber wenn ich zum Beispiel auf Jugendliche schaue, die mehr und mehr dabei sind, sich von zuhause zu lösen und auf eigenen Füßen zu stehen, dann sind da einfach viele wichtige Kontakte mit der Peergroup abgebrochen – und diese können nicht nur durch digitale Kommunikationsformen aufgefangen werden.

Offen ist, wie es nach den Sommerferien weitergeht. Wie können Familien mit dieser Unsicherheit gut umgehen?

Im Moment bleibt Familien fast nichts anderes übrig als diese Unsicherheit auszuhalten. Es gibt zwar die Aussage, dass es nach Ferien wieder mit „normalem“ Unterricht und Kita weitergehen soll. Das ist natürlich eine Perspektive, über die sich alle freuen würden. Dennoch müssen wir uns immer wieder klar machen, dass die Pandemie andauert. Keiner von uns weiß, wie es nach dem Urlaub und dem damit verbundenen Kontakt vieler Menschen untereinander weitergeht. Was bringt der Herbst, wenn wir in die „normale“ Zeit der Infektionskrankheiten kommen? Wir müssen mit der Unsicherheit noch eine ganze Weile leben. Für Familien heißt das, sehr genau zu schauen, welche Möglichkeiten die Ferien bieten, um mal abzuschalten, etwas anderes zu sehen, andere Menschen zu treffen – im Rahmen der nötigen Vorsicht. Dabei kann es nicht nur um den klassischen Urlaub gehen. Den können oder wollen viele dieses Jahr nicht wahrnehmen. Gerade in diesem Sommer braucht es gute Ferienprogramme, auf die sich Familien verlassen können. Deshalb sind wir als Kirche mit verschiedenen Partnern dabei, ein Ferienprogramm für Familien zuhause zu entwickeln. Das ist bald auf „Wir-sind-da.online“ abrufbar und kann als „Ferienabenteuer“ in der Familie eine Alternative sein.

Wie schaffen Sie es mit Ihrer Familie gut durch die Coronazeit zu kommen?

Spannend wäre es, dazu mal unsere beiden Töchter zu fragen. Wir versuchen die Zeit, die uns miteinander geschenkt wurde durch wegfallende Termine mal als Familie, mal als Paar, mal jede und jeder für sich mit Leben zu füllen: Wir spielen viel, sind draußen unterwegs, probieren neue Rezepte aus, feiern Gottesdienst zuhause. Unsere Wohnung ist glücklicherweise groß genug, dass alle sich mal zurückziehen können. Und den Garten nutzen wir gerade sehr viel. Zudem müssen wir uns keine Sorgen um unsere Arbeitsplätze machen. Allein dafür kann ich gar nicht dankbar genug sein. Zusammengefasst bin ich bin einfach froh, dass wir uns aufeinander verlassen können.

Wird es nach den Sommerferien weitere digitale Elternstammtische geben?

Das wissen wir noch nicht. Wenn nach den Ferien der Alltag wieder normaler anlaufen sollte, werden Familien damit beschäftigt sein. Ist dann noch Zeit und Lust da für ein solches Angebot? Vielleicht passt es dann auch eher in die dunklere Jahreszeit, in der draußen nicht mehr so viel los ist. Oder es steht einfach etwas anderes an. Wir werden sehen.

 

Bei dem digitalen Elternstammtisch dabei sind Markus Vogt sowie die Pastoralreferentin und Mutter Angela Schmid. Los geht es am Freitag, 10. Juli, um 20 Uhr über https://meet.jit.si/DigibarWirsindda

 

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