„Einem anderen Menschen von der inneren Not zu berichten wirkt entlastend. Verständnis für die Situation zu erfahren, die oftmals als ausweglos erlebt wird, tut gut und nimmt das Einsamkeitsgefühl“, erklärt Martina Rudolph-Zeller, Leiterin der evangelischen TelefonSeelsorge Stuttgart. „Gemeinsam wird dann geschaut, was erste Schritte zu einer Lösung sein könnten.“
Die Zahl der Online-Beratungen nimmt zu
Bei der Telefonseelsorge melden sich auch heute noch die meisten Menschen mit ihrer Stimme; 2020 waren es über 36.000. Doch die Zahl der Online-Beratungen – besonders beim Chat – nimmt zu. Gab es 2019 noch 2.931 Beratungen per Chat oder Mail, lag die Zahl 2020 schon bei 3.730. Depressionen, Ängste, Einsamkeit und Selbstbildstörungen sind die häufigsten Gesprächsthemen bei den Online-Beratungen. Das Thema Suizid begegnet den Seelsorgerinnen und Seelsorgern bei 27 Prozent der per Mail Beratenen und sogar bei 30 Prozent – gegenüber 15,1 Prozent im Jahr zuvor – bei den Chat-Kontakten. Das sind weit mehr als bei den Hilfesuchenden am Telefon, hier reden 2,7 Prozent der Menschen darüber, dass sie überlegen, Hand an sich zu legen.
Junge Menschen leiden stärker unter der Pandemie
Ein wichtiges Thema bei der Seelsorge am Telefon war 2020 die Pandemie. Bei den Anrufenden haben mehr als 18 Prozent davon gesprochen, „während des ersten Lockdowns waren es auch mal doppelt so viele“, erzählt Gabriele Stark, Leiterin der katholischen Stelle Ruf und Rat. Die schon über ein Jahr währende Pandemie beeinflusst das Leben der Menschen stark. Die Angst vor der Krankheit und die Auswirkungen der sinnvollen Vorsichtsmaßnahmen auf die Psyche aller Menschen sind spürbar.
In beengten Verhältnissen fehlt der Rückzugsraum
Junge Menschen leiden stärker, denn sie sind in hohem Maß auf soziale Kontakte angewiesen. „Sie lösen sich vom Elternhaus, breiten ihre Flügel aus – und können im Moment nicht losfliegen“, sagt Martina Rudolph-Zeller. Die jungen Menschen sind auf ihr Zuhause zurückgeworfen. In beengten Verhältnissen fehlt oft sogar der Rückzugsraum. Da kommt es vermehrt zu Spannungen und Konflikten. Auch von häuslicher Gewalt hören die Mitarbeitenden der Seelsorgestellen häufiger; genaue Zahlen werden statistisch allerdings nicht erfasst.
Gute Erfahrung mit der anonymen Beratung ist wichtig
Wenn Probleme in Worte gefasst werden, werden sie greifbarer. „Eine gute Erfahrung bei der anonymen Beratung kann helfen, sich weitergehende Hilfe zu holen, zum Beispiel bei einer Jugendberatung, wie sie Ruf und Rat als psychologische Beratungsstelle in Stuttgart neben der Telefonseelsorge anbietet“, berichtet Gabriele Stark.
Dass die Telefonseelsorge sehr professionell arbeitet, zeigt sich auch daran, dass andere Stellen gerne auf deren Hilfe verweisen. Deshalb würden sich die beiden Leiterinnen der Stuttgarter Telefonseelsorge-Stellen wünschen, dass sie mehr in Gremien eingebunden werden. „Da bräuchte es mehr Kooperations-Möglichkeiten, zum Beispiel mit dem Sozialministerium, der Psychotherapeutenkammer oder mit psychiatrischen Verbänden“, sagt Martina Rudolph-Zeller.
Wichtige Infos zu den Telefonseelsorge-Stellen
Die Telefonseelsorge ist an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr kostenlos erreichbar: die katholische Telefonseelsorge Ruf und Rat unter 0800.111 0 222, evangelische TelefonSeelsorge Stuttgart unter 0800.111 0 111
Termine für die Chat- und die Mailberatung können über die Homepage der katholischen Telefonseelsorge Ruf und Rat oder über die Homepage der evangelischen Telefonseelsorge vereinbart werden.