Kirche und Kultur

Mit dem Klappstuhl zum Theater auf die Pfarrwiese

In diesem Sommer wird die Pfarrwiese von St. Theresia in Weilimdorf zur Spielstätte für Schauspielkunst. Die Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Nordwest hat zum Theatersommer eingeladen. Die Zuschauer kommen auch an diesem Donnerstagabend mit ihren Stühlen und Picknickdecken an den schnuckeligen Aufführungsort mit viel Charme und ohne Pomp. Eine kleine Bühne ist aufgebaut, ein paar Scheinwerfer und ein Mikrofon stehen bereit. Die Stimmung ist heiter und entspannt, was auch die Schauspieler zu schätzen wissen: „Es ist ein schöner Ort, um nach der langen Coronapause wieder zu spielen“, sagt die Schauspielerin Eva Geiler, die an diesem Abend in einer szenischen Lesung in die Rolle der Lebedame Gretchen von Morgenthau schlüpft.

Auch im Pfarrgarten gelten Abstandsregeln. Mit dem Meterstab misst die Patoralreferentin Julia Matheis die obligatorischen 1,50 Meter ab und weist die Plätze zu. Die Besucher klappen ihre Stühle auf, packen Wasser und Chips aus. Ein paar Meter weiter öffnet jemand eine Weinflasche und verteilt Gläser an die kleine Freundesgruppe. Matthias Hambücher ist froh, dass wieder Leben einkehrt auf die Pfarrwiese. „Der Lockdown hat auch das Gemeindeleben zum Erliegen gebracht. Wir konnten keinen Gottesdienst und kein Gemeindefest feiern. Jetzt erleben wir Gemeinschaft und Kultur auf der Pfarrwiese.“

Gute Verbindung von Kultur und Kirche

Der nächste Korken ploppt, als Axel Preuß, der Intendant der Stuttgarter Schauspielbühnen, gerade dabei ist, die gute Kooperation zwischen der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Nordwest und seinen Theatern zu loben. „So entspannt geht es in Theaterräumen nicht zu, da darf der gute Parkettboden nicht versaut werden.“ Für Preuß ist der Theatersommer in Weilimdorf ein Beispiel, wie es gehen kann: Die Gesamtkirchengemeinde stellt den Ort zur Verfügung, die Schauspielbühnen das Programm, die Eintrittsgelder gehen an die Schauspieler als Gage für den Abend. Auch Axel Preuß ist froh darüber, dass nach der langen Coronapause endlich wieder Kultur stattfinden kann.

Die sieben Abende sind bereits komplett ausgebucht

Das sind auch die Besucher. Schon nach der zweiten Vorstellung sind alle sieben Abende komplett ausgebucht. „Wir haben viele Besucher aus der Gemeinde, die sich gleich für alle Abende angemeldet haben. Schön ist aber auch, dass wir viele Zuschauer haben, die noch nie in unserer Kirche waren, sondern über die Schauspielbühnen gekommen sind und ganz begeistert von dem Ort und den Menschen wieder nach Hause gehen“, erzählt die Gemeindereferentin Theresia Mattes, die selbst auch keinen Abend verpassen möchte. An diesem lauen Sommerabend ist es die Schauspielerin Eva Geiler, die in die Rolle der Theaterintendantin Gretchen Morgenthau schlüpft und die selbstbewusste und unangepasste Lebedame in einer szenischen Lesung aufleben lässt. Am Ende steigt Gretchen Morgenthau mit der Diagnose Krebs im Endstadium im Kopf und einem Picknickkorb auf dem Arm in ein Boot. Auf dem Meer will sie dem Tod entgegentreiben.

Freude, Kummer, Schmerz und Glück auf der Bühne

Für Pfarrer Matthias Hambücher ergänzen sich Religion und Kultur nicht nur an diesem Abend auf eine gute Weise. „Kirche ist schon immer ein Kulturträger und ist es in jedem Sonntagsgottesdienst. Kulturschaffende Kirchenmusiker, Chöre und Solisten gestalten jeden unserer derzeit sechs Sonntagsgottesdienste individuell und machen ihn zu etwas Einmaligen und Besonderen. Was wir in der Kirche tun, findet draußen seine Fortsetzung.“ Im Theater sind es die Schauspielerinnen und Schauspieler, die das Menschliche auf die Bühne bringen mit all seinen Ausformungen: Freude, Kummer, Trost, Glück, Liebe, Schmerz. „Und wo das Menschliche im Blick ist, ist auch Gott nicht weit“, findet Hambücher, selbst bekennender Theaterliebhaber. Deshalb ist auch bereits eine kleine Fortsetzung geplant: Im Pfarrgarten Salvator in Giebel werden gerade Theaternachmittage für Familien geplant.

Schauspielerin bleibt zum Gespräch mit dem Publikum

Die Schauspielerin Eva Geiler bleibt nach der Lesung noch für ein Gespräch mit den Zuschauern im Pfarrgarten. Die bleiben auch noch sitzen und genießen den lauen Sommerabend, während Eva Geiler erzählt, warum sie sich für das Stück von Einzlkind entschieden hat: „Mir gefällt Gretchen Morgenthau mit ihren Schrullen, ich wollte eine selbstbewusste Frau in der Hauptrolle.“ Auch nach dem offiziellen Teil bleiben viele Zuschauer noch auf der Wiese, um über Gott und die Welt zu plaudern.

Kennen Sie unseren Newsletter? 

Wir informieren Sie gerne über unsere aktuellen Themen. Melden Sie sich hier für unseren Newsletter an. 

Anmelden