Stadtdekan Christian Hermes zitierte in seiner Begrüßung aus der Rede, die Papst Franziskus bei der Verleihung des Karlspreises 2016 gehalten hatte: "Was ist mit dir los, humanistisches Europa, du Verfechterin der Menschenrechte, der Demokratie und der Freiheit? Was ist mit dir los, Europa, du Heimat von Dichtern Philosophen, Künstlern, Musikern und Literaten?" Nach einer Schweigeminute in Gedenken an den verstorbenen Papst betonte Hermes die Bedeutung von Solidarität und Zusammenarbeit, gerade auch in schwierigen Zeiten. "Kirche lebt von Bereitschaft zu Verantwortung, Beteiligung und Engagement. Auch die Stadtgesellschaft und die Stadtpolitik lebt davon, dass Menschen ihre Zeit und ihre Ideen einbringen und politisch aktiv sind.", so der Stadtdekan.
Von geopolitischen und demografischen Herausforderungen
Was los ist mit Europa erläuterte die Gastrednerin Sylvie Goulard, die zunächst einmal die Gefahren auflistete, denen Europa begegnen muss: die geopolitische Lage (Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, Abwendung der USA von Europa, das Weltmachtstreben Chinas), der rasant voranschreitende Klimawandel (Goulard empfahl hier einen Blick in die päpstliche Enzyklika Laudato Si), der technologische sowie der demografische Wandel. "Nur circa 6 Prozent der Weltbevölkerung lebt heute in Europa. Das sagt schon viel über die Bedeutung Europas aus", so Goulard.
Europa steht für Frieden, Stabilität und Perspektiven
Wie aber mit den Gefahren umgehen, ohne die Hoffnung zu verlieren? In ihrer Antwort zitierte Sylvie Goulard das Evangelium: "Und wenn ein Haus mit sich selbst uneins wird, kann es nicht bestehen." In diesem Sinne plädierte sie für eine größere Einigkeit. "In dieser gefährlichen Welt können wir uns darüber freuen, unser ,Europa´ zu haben, eine freiwillige, grenzüberschreitende, solidarische Zusammenarbeit, die uns Frieden, Stabilität und Wirtschaftsperspektiven sichert." Natürlich sei die EU nicht perfekt, aber wichtig sei es, das Gemeinsame ins Zentrum zu setzen und konstruktiv zu sein.
Die menschliche Dimension der EU stärken
Wichtig sei es darüber hinaus, weiterhin Recht über Gewalt zu stellen und sich beständig für die Freiheit einzusetzen. "Der Blick etwa in die Türkei zeigt uns: Wir dürfen Freiheit nicht einfach nur hinnehmen, wir müssen uns jeden Tag dafür einsetzen", so die Gastrednerin. Ganz im Sinne von Franziskus wünscht sich Sylvie Goulard eine gerechtere Verteilung des Reichtums und mehr Geschwisterlichkeit. "Die menschliche Dimension der EU zu stärken, sollte die allererste Priorität sein. Europa soll viel mehr ein postives Erlebnis sein, eine Gelegenheit voneinander zu lernen, uns gegenseitig zu helfen."
Viele prominente Gäste im Haus der Katholischen Kirche
Unter den Gästen waren Bischof Klaus Krämer, die Landtagespräsidentin Muhterem Aras, die Landtagsabgeordnete Dorothea Kliche-Behnke, der Stuttgarter Ordnungsbürgermeister Clemens Maier sowie viele Stuttgarter Gemeinderäte und Bezirksvorsteher. Unter den Gästen war auch der emeritierte Bischof Gebhard Fürst. Mit dabei waren auch zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter des Rates der Religionen Stuttgart, darunter die derzeitige Koordinatorin des Rates Susanne Jakubowski von der Isrealitischen Religionsgemeinschaft Württemberg.