Als der Anruf der Generaloberin kam, ob sie als eine von zehn Vertretern der Deutschen Ordenskonferenz am Synodalen Prozess teilnehmen wolle, war bei der Stuttgarter Vinzentinerin Nicola Maria Schmitt die Überraschung groß: „Ich musste erst einmal eine Nacht darüber schlafen.“ Am nächsten Morgen hat die 58 Jahre alte Ordensschwester zugesagt, weil sie sich Veränderungen für ihre Kirche wünscht: „Auch wenn die Missbrauchsskandale ein trauriger und schlimmer Anlass sind, ist es gut, dass wir endlich wieder ins Gespräch gehen und uns fragen, wie muss Kirche heute aussehen“, sagt Schwester Nicola Maria, die sich im Haus der Katholischen Kirche um die Citypastoral kümmert und die dort auch seit vielen Jahren an der Infotheke sitzt und nicht nur Auskunft erteilt, sondern mit vielen Menschen über die Situation der Kirche spricht.
„Vielen Menschen wird die Kirche immer fremder“
„Ich erlebe, dass vielen Menschen die katholische Kirche immer fremder wird und sie für viele Dinge kein Verständnis mehr haben. Die Rolle der Frau in der Kirche ist ein Beispiel dafür.“ Die Ordensfrau erhofft sich vom Synodalen Weg wichtige Impulse: „Wir müssen nachdenken, wie wir den Menschen unsere Botschaft verkünden, wir brauchen eine neue Sprachfähigkeit, andere Gottesdienstformen, um die Menschen zu erreichen und auch eine neue Theologie der Sakramente, die nicht mehr nur an Priester gebunden ist.“ Die Menschen müssten spüren, dass Gottes Geist auf eine gute Weise auch heute noch wirke, so die Stuttgarterin, die seit 38 Jahren dem Orden der Vinzentinerinnen von Untermarchtal angehört.
Endlich werden Themen diskutiert, die seit Jahren schwelen
Der katholische Stadtdekan Christian Hermes hält es für wichtig, dass die Themen diskutiert werden, die jahrzehntelang schwelen und das Zeugnis für das Evangelium verdunkeln. „Wir erleben jeden Tag, dass sich Menschen von der Kirche abwenden. Wir versuchen, hier in Stuttgart vor Ort gute Arbeit zu machen, aber wir spüren, wie das ganze Setting von Kirche, ihrer Ämter und Strukturen, Fragen der Geschlechtergerechtigkeit und eine gefühlte Lebensferne alles überlagert." Hermes, der als Vertreter des Priesterrats der Diözese Rottenburg-Stuttgart teilnimmt, sieht das erste Treffen als erste Kontaktaufnahme und hofft auf vernünftige und an Lösungen interessierte, ehrliche Gespräche: „Wenn versucht werden sollte, eine ehrliche Beratung abzuwiegeln oder autoritär zu verhindern, wird es krachen. Und sicher ist es auch nicht gut, wenn alle möglichen Teilnehmer schon vor Beginn kompromisslose Positionen in die Welt hinausposaunen. Ich hoffe auf eine ehrliche und faire Beratung.“
Zum Synodalen Weg allgemein
Mit dem auf zwei Jahre angelegten Prozess wollen die Bischöfe und das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken über die Zukunft kirchlichen Lebens in Deutschland beraten. Ein Ziel ist es, nach dem Missbrauchsskandal verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Schwerpunktthemen sind die Aufarbeitung und Prävention von sexuellem Missbrauch und der Etablierung eines wirksamen Verwaltungsrechtsschutzes sowie strafrechtlicher Regelungen, die Sexualmoral, die priesterliche Lebensform, Macht und Gewaltenteilung sowie die Rolle von Frauen in der Kirche. Höchstes Gremium des Prozesses ist die Synodalversammlung mit 230 Frauen und Männern aus ganz Deutschland, die in den zwei Jahren viermal zusammenkommen werden. Das oberste Gremium setzt sich zusammen aus den Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz, 69 Vertretern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken sowie weiteren Vertreterinnen und Vertretern geistlicher Dienste und kirchlicher Ämter. Ebenfalls von der Ordenskonferenz entsandt wird Schwester Daisy, die bis vor Kurzem noch in der Gesamtkirchengemeinde Johannes XXIII. in Stuttgart tätig war. Beteiligen können sich auch Katholiken, die nicht in der Synodalversammlung sind und zwar noch bis 23. Januar über die offizielle Homepage zum Synodalen Weg